Weiterleben ohne Lars – Teil 5

Eben erst hatte ich das allerliebste, das ich in meinem Leben je erlebt hatte, meinen wunderbaren Sohn, an den Tod verloren, doch war fast zeitgleich etwas ganz Neues in mir aufgewacht, aufgebrochen.

Gegenwärtig und wach erlebte ich ganz bewusst, wie neben diesen unsäglichen Schmerzen, diesem Gefühl von Amputiertsein, etwas Kraftvolles in mir wuchs, das ich selten je so intensiv erlebt hatte. Es keimte aus der Liebe, die ich empfangen und empfinden durfte, von Lars, von all den Freundinnen und Freunden, die zur Abschiedsfeier gekommen waren, aus all den Briefen und aus all dem erlebten Mitgefühl. Es stärkte mir den Rücken und ich fühlte und wusste mich getragen. Und ja, ich fühlte und wusste mich auch Lars sehr nahe. Nicht mehr physisch, aber die Liebe zu ihm war und ist größer als der brutalste Tod. Dass dieser Satz keine Floskel war, erkannte ich täglich mehr. Lars’ Lachen, das mir von den unzähligen Bildern entgegen strahlte, die in meiner Wohnung hingen und die ich oft betrachtete, war mir Medizin und Trost. Ich war sicher, dass er wollte, dass es mir gut geht.

So konnte ich manchmal andere trösten, die mit mir trauerten, was wiederum auch mich tröstete. Nicht, dass ich keine Tränen mehr hatte und habe, aber – trotz all der Sinnlosigkeit – fand ich immer wieder Ruhe in mir. Neben allem Chaos und einer zuweilen schier unerträglichen Leere. Ein Trotz-allem-Friede.

Dass ich nicht verbitterte, nicht verbittern wollte, geht auf eine Art Kuhhandel, den ich mit mir geschlossen hatte, zurück. Entweder ich verbittere und bringe mich eines Tages um oder aber ich lebe eines Tages wieder froh. Etwas anderes gibt es nicht. Keine Kompromisse! So verhandelte ich mit mir in den ersten Monaten nach Lars’ Tod. Verbittern war aber eigentlich keine Alternative und dass ich noch immer lebe, hat mit Lars’ Lachen in mir drin zu tun und mit der Liebe und Unterstützung meiner Freundinnen und Freunde. Und wohl auch mit meiner Bereitschaft, diese Geschenke anzunehmen, wirken zu lassen.

(Fortsetzung folgt)

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Quelle: »Weiterleben | Biografische Essays«, Jana. D., noch unveröffentlicht.

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