Weiterleben ohne Lars #12 – Erste Gehversuche

Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, möglichst bald wieder normal zu sein – unsichtbar und unauffällig – und der Erkenntnis, genau dies nie mehr sein zu können (falls ich es denn je gewesen sein sollte), reihte ich Tag an Tag. Im Grunde gab es nur diese drei: Weitergehen, Stehenbleiben oder Sterben. Weitergehen, wenn das Herz gebrochen ist, wenn das Leben, wie ich es gekannt hatte, nur noch aus ein paar Scherben besteht? Wie sollte das gehen? Stehenbleiben? Wo bitteschön? Denn da wo ich stand – mitten in einer Wüstenlandschaft – mochte ich nicht bleiben. Weder stehen noch sitzen noch leben fühlte sich machbar und nach Leben an. Also doch sterben?

Sag mir, wofür es sich zu leben lohnt?, fragte ich alle meine Freundinnen und Freunde. Ein ums andere Mal wollte ich Antworten und doch hielt keine Antwort meiner Prüfung stand. Wie ich überlebt habe, weiß ich heute nicht mehr wirklich.

Meine Freundin C. erzählte mir eines Tages, dass im Team ihrer Freundin P., die in einer psychiatrischen Einrichtung zur Reintegration psychisch Kranker arbeitete, eine befristete Stelle frei sei. Ob das nicht etwas für mich wäre. Inzwischen war es September geworden. Ich war wieder gesund, zumindest auf dem Papier, musste also langsam aber sicher eine Arbeitsstelle finden. Ich bewarb mich um diese befristete Stelle und wurde auch wirklich zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Ich bekam die Stelle. Vorerst für ein paar Wochen. Allenfalls langfristig, da eh immer gute Leute gesucht würden.

Am Anfang fuhr ich frühmorgens mit dem öffentlichen Verkehr zur Arbeit, doch das war eine Qual für mich. Zuerst musste ich mit dem Bus in die Stadt fahren, wo ich auf das Postauto umstieg. Viele Leute. Lärm. Unruhe. Morgendliche Hektik. So war ich bereits sehr aufgekratzt, wenn ich in meiner Arbeitsgruppe ankam. Ich leitete die Töpferei-Gruppe und war verantwortlich für die diversen Aufträge, den Brennvorgang im große Brennofen und vor allem für eine Gruppe von vier bis sechs Personen, die alle eine Weile in der Psychiatrie gewesen waren. Alle waren sie nun wieder für gesund genug erklärt worden, um wieder Fuß in der richtigen Welt fassen zu sollen. Was immer diese richtige Welt auch war.

In Wirklichkeit waren wir ein ziemlich schräger Haufen und eigentlich hätte ich selbst ja gar nicht auf die Betreuerin-Seite gehört. Mit allergrößter Willensanstrengung brachte ich einen Tag nach dem anderen hinter mich. Drei Tage die Woche, wenn ich mich richtig erinnere. Schon in der zweiten oder dritten Woche fuhr ich mit dem Auto zur Arbeit, was mich – trotz der morgendlichen Staus – doch viel weniger aufwühlte. Ich langte ein bisschen weniger ausgelaugt dort an. Doch am späten Nachmittag, wenn ich wieder ins Auto stieg, war ich jedes Mal einfach nur kaputt. Und dennoch stolz darauf, wieder einen weiteren Tag geschafft zu haben, ohne in Tränen ausgebrochen zu sein. Ein wenig fühlte ich mich wie eine Verräterin, denn es war mir als würde ich vor dem Trauerprozess davonlaufen. Im Umgang mit meinen Klientinnen und Klienten, mit denen ich am runden Tisch saß und mit denen ich mein kleines Wissen im Umgang mit dem Ton teilte, vermied ich es, über mich zu reden. Das war im Grunde nicht sehr schwer, denn entweder schwiegen wir alle, in uns selbst versunken, oder jemand erzählte über sich. Denn das eigene Leben war für die meisten, verständlicherweise, das Hauptthema. Ich kam mit meiner Tarnung ziemlich gut durch, bis mich eines Tages, vermutlich war ich bereits etwa vier oder fünf Wochen dort gewesen, jemand fragte, ob ich Kinder hätte. Ich konnte kein Wort sagen. Ja wäre zwar die richtige Antwort gewesen, doch hätte ich dann nicht von Lars’ Tod erzählen müssen? Oder ein Leben erfinden, das es so nicht mehr gab? Nein zu sagen, käme einer Lüge gleich. Wie genau ich mich aus der Affäre gezogen habe, weiß ich heute nicht mehr.

In jenen Tagen war ich auch gefragt worden, ob ich noch länger bleiben könne, denn die krank geschriebene Kollegin sei noch nicht wieder einsatzfähig. Ich hatte eigentlich gehofft, einfach bald wieder da raus zu kommen, denn mir war klar, dass ich so nicht auf Dauer arbeiten konnte. Nicht jetzt. Nicht mit diesem selbst so zerbrechlichen Klientel. Denn mir ging es sehr schlecht. In jeder Hinsicht. Auch körperlich. Oft war mir schwindlig. Eines Tages war es besonders schlimm. Es war mir nicht nur schwindlig, ich musste mich auch immer wieder kurz auf der Toilette erholen, mir Wasser ins Gesicht spritzen und durchatmen, die Panikattacken aussitzen, um eine weitere Stunde durchhalten zu können. Schließlich meldete ich mich ab, krank geworden, und fuhr nach Hause. Ich schaffte es knapp in die Wohnung, dort brach ich zusammen.

Eine ganze Weile saß ich am Boden, an eine Wand gelehnt, unfähig, wieder aufzustehen. Irgendwann hatte ich es wohl aufs Sofa geschafft. Und irgendwie ans Telefon. Ich rief meine Ärztin an und erzählte ihr von meinem Kreislaufkollaps. Sie meinte, ich solle am nächsten Tag in die Praxis kommen, falls das gehe. Auf jeden Fall werde sie mich ab sofort wieder krankschreiben. Ich rief im Betrieb an und meldete mich bis auf weiteres ab. Noch dachte ich, dass ich in ein paar Tagen zurückkehren würde, um wenigstens die vereinbarte Zeit abschließen zu können. Erst nach etwa einer Woche begriff ich, dass ich noch nicht so weit war.

Bei einer feinen Körpertherapeutin hatte ich inzwischen den für mich richtigen Therapieplatz gefunden. Ihre Therapie wirkte vor allem in die Tiefe. Zwar redeten wir auch, doch in erster Linie arbeitete sie an meinem Körper. Es ging dabei vor allem darum, meine Lebensenergie zu unterstützen, denn mein Energiepegel war total im Keller. Mein Kreislauf wurde im Laufe dieser wöchentlichen Behandlungen wieder stabiler und auch die Atemenge, ausgelöst von den Panikattacken, löste sich allmählich. Außerdem fühlte ich mich bei Frau W.  sehr geborgen und konnte mit ihr über alles zu reden. Ihre Therapieform, Metamorphose genannt, war – so erkenne ich im Nachhinein – der Anfang des Heimweges, dieses Weges in mein Herz zurück.

Quelle: »Weiterleben | Biografische Essays«, Jana. D., noch unveröffentlicht.

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Weiterleben ohne Lars #11 – Die andere Seite hören

Auch andere Freundinnen ermutigten mich dazu, zu versuchen, mit meinen Verstorbenen in Kontakt zu treten. Schließlich meldete ich mich bei einem als sehr seriös bekannten Medium an. C. wollte im Voraus keinerlei Informationen über mich und meine Geschichte. (Dass ich jene Frau war, über die die Zeitungen im Juli berichtet hatten, konnte sie ja nicht wissen, da ich dort nicht mit Namen genannt worden war.) C. vermied so, von mir Gehörtes oder Gelesenes mit medial wahrgenommenen Eindrücken zu vermischen.

Was genau sind mediale Botschaften? Ich verstehe sie als sinnliche Eindrücke, die uns von medial begabten Menschen überbracht werden. Menschen, die fühlen und wahrnehmen können, was sich unserem Tagesbewusstsein normalerweise nicht zeigt. Menschen, die die unsichtbare Welt wahrnehmen können. (Im Grunde etwas, dass – je nach Affinität – viele von uns könnten, wenn wir es uns nicht abgewöhnt hätten.) Ein Medium empfängt also, wenn es sich auf die unsichtbare Welt einlässt, ganz verschiedene Eindrücke auf unterschiedlichen sinnlichen Kanälen. Die Kunst besteht nun darin, diese Eindrücke in unsere Wortsprache zu transformieren. (Somit kann also jede mediale Botschaft richtig oder falsch interpretiert werden. Und ja, natürlich wird hier auch viel Schindluderei betrieben.)

Dank meiner Vorab-Recherche hatte ich also C. gefunden, die sehr seriös und sehr sensibel arbeitet. Kaum hatte ich Platz genommen, als ich an meinem rechten Knie eine kleine Hand spürte. In mir war es ruhig und ich fühlte mich geborgen und getröstet. Auch C. nach die Hand auf meinem Knie wahr, obwohl ich nichts gesagt hatte. Nicht nur die Hand nahm sie wahr, sie sah vor ihrem inneren Auge Lars neben mir stehen und beschrieb ihn als goldlockigen Buben, der seine Hand auf mein Bein gelegt habe. Und da sei ein Mann bei mir, auf meiner anderen Seite, der mich unbedingt wissen lassen wolle, dass es gut gewesen sei, dass ich damals nicht gekommen sei.

Nur ganz kurz musste ich nachdenken, was das bedeuten sollte. Doch dann erinnerte ich mich, wie ich damals, am 12. Juli, kurz überlegt hatte, mit dem Auto zu Antonio zu fahren. Eigentlich und Göttinseidank hatte mich einzig die Tatsache, dass ich auf Ch. gewartet hatte, davon abgehalten. Ch. wollte uns ja besuchen, um mit mir und Lars dessen Geburtstag zu feiern. Auch der Umstand natürlich, dass Antonio das Telefon nicht abgenommen und die Nachbarin gesagt hatte, der Kinderwagen stehe nicht im Treppenhaus. Die beiden wären ja eh nicht im Haus gewesen, hatte ich gedacht, und war darum daheim geblieben. Wohin hätte ich auch fahren sollen? Ja, hinterher, in der allerersten Zeit, hatte ich es bereut, nicht doch hingefahren zu sein, um das Schreckliche womöglich vereiteln zu können. Nun also das: Gut, dass du nicht gekommen bist!

Weitere Aussagen, die C. machte, waren ähnlich konkret und präzise, weitab von Allgemeinplätzen, die ich auf jede Situation hätte umdeuten können. Ich war nach diesem Gespräch mit Antonio und Lars sehr froh darüber, dass ich mir dieses Channeling, gegönnt hatte.

Monate später hatte ich mit einem weiteren Medium aus Norddeutschland ein Telefonchanneling. Jene Frau hatte die Gabe, sich auf eine Art Zeitreise einlassen und vergangene Zeiten wie in einem Film betrachten zu können. Sie erzählte mir, was Lars und Antonio am letzten Tag getan haben. In ihrem Fall konnte ich gewisse Dinge nicht direkt, aber ein paar Monate später – nach dem alle polizeilichen Untersuchungen abgeschlossen worden waren – anhand von Fundgegenständen und dem Obduktionsbericht verifizieren. Tatsächlich war ein Brief Antonios aus den Trümmern geborgen worden, den sie erwähnt hatte. Er konnte sogar rekonstruiert werden und legte die Vermutung sehr nahe, dass Antonio – wie das Medium gesagt hatte – schriftlich über verschiedene Lösungswege nachgedacht hatte. Weiter hatte er, ganz am Schluss vor seinem Tod und obwohl er länger clean gewesen war, einen Joint geraucht, zumindest ein paar Züge. Auch das hatte mir das Medium geschildert. Ich hatte daraufhin ihr gegenüber behauptet, dass er ganz bestimmt  clean gewesen sei.

Fast ungläubig lese ich heute in meinem Tagebuch über jene Zeit. Über jenes zweite Channeling. Auch was sie damals über meinen späteren Beruf und mein zukünfiges Liebesleben sagte, haut mich heute, im Rückblick, fast um. Beruflich werde ich mehr im kreativen und kommunikativen Bereich arbeiten und viel Freude an meiner beruflichen Herausforderung haben. Ich kann mich dabei selbst entfalten. Allenfalls werde ich sogar wieder mit Kindern arbeiten können, an einer Schule womöglich? Und ja, ich werde wieder eine Partnerschaft haben. Mein Partner ist ein stabiler, weltoffener Mensch, der beruflich viel reist und unterwegs ist. Ein treuer Mensch, der sehr gut zu mir passt. (Oh, wie exakt das zutrifft!)

Ich bin mir bewusst, wie seltsam solche Erfahrungen für Außenstehende klingen mögen. Mir war damals zum einen jedes Mittel recht, das ein wenig Trost und Hoffnung versprach, doch andererseits habe ich diese Menschen, diese Medien, sorgfältig ausgewählt, habe mich vorher nach ihnen erkundigt, habe recherchiert, Referenzen eingeholt, denn ich weiß, dass in diesen sensiblen menschlichen Zwischenräumen viel Unfug getrieben und viel Schaden angerichtet wird.

Die von mir ausgewählten Medien hatten die besondere Fähigkeit oder Gabe, sich im Zustand tiefer Entspannung in eine Art geistiges Internet einzuloggen und Einblick in Geschehnisse zu bekommen, die sich unsern Augen im Wachzustand entziehen. Da ich selbst auf meinem spirituellen Weg, insbesondere auf schamanischen Reisen, ähnliches erlebt habe, bin ich davon überzeugt, dass es eine unsichtbare Wirklichkeit gibt, parallel zur sichtbaren, die mit den klassischen Mitteln nicht wahrnehmbar ist. Eine Ebene, für die wir zwar Rezeptoren hätten, normalerweise jedoch nicht geübt darin sind, diese auch einzusetzen. In diesem Zustand der Trance, der vielen Menschen suspekt ist, obwohl wir ihn ganz natürlicherweise – meistens vor dem Einschlafen oder nach dem Aufwachen – alle immer mal wieder durchschreiten, nehmen wir Dinge anders wahr, betrachten die Welt aus einer anderen Sicht. In diesem Zustand greifen die üblichen Kontrollmechanismen nicht. Darum sehen und verstehen wir so auf einmal Zusammenhänge, die außerhalb unseren bewussten Seins liegen.

Was ich bei den Medien gesucht habe? Eigentlich nur eins: Ich wollte verstehen. Nicht nur, warum Antonio das alles getan hatte. Nicht nur, was Lars erlebt hatte. Ich wollte auch verstehen, warum das alles, in einem größeren Kontext betrachtet, geschehen ist. Vielleicht entwickelte sich ja doch ein Sinn aus allem, was geschehen ist.

Nun ja, ich glaube ja nicht, dass etwas Schlimmes geschieht, damit wir ihm später einen Sinn verleihen. Eher denke ich, dass es einen Versuch wert ist, zu  versuchen das Schlimme zu integrieren, ihm quasi im Nachhinein einen Platz und einen Sinn zu verleihen. Ich glaube nicht an endgültige Antworten. Auf alle meine Fragen fand ich immer nur vorläufige. Manchmal fand ich Trost, manchmal siegte die Verzweiflung.

Damals fuhr ich sehr oft auf Autopilot durch mein Leben. Schleicht sich der Schmerz an, erstarre ich zuweilen, versuche jedenfalls mich so wenig wie möglich zu rühren. Insbesondere wenn ich mich in einem halbwegs erträglichen Zustand mit halbwegs befriedigenden Antworten eingefunden hatte.

Die Lücke, die Lars in meinem Leben hinterlassen hatte, schien manchmal ein bisschen kleiner geworden zu sein, oft allerdings nur, um am nächsten Tag umso größer und schmerzhafter zu sein.

(Fortsetzung folgt)

Quelle: »Weiterleben | Biografische Essays«, Jana. D., noch unveröffentlicht.

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Weiterleben ohne Lars #10 – Wieder daheim

In einer dieser vielen schlaflosen Nächte – einige Wochen nach meinem Besuch bei M. in Frankreich –, beschloss ich, Lars’ Zimmer zu meinem zu machen. Das bisherige Wohn- und Schlafzimmer meiner Zweieinhalbzimmerwohnung würde so zum Wohn- und Arbeitszimmer werden. Das Ganze war wie eine Mutprobe, denn ich musste alle Spielsachen und Kleider von Lars, die noch immer so, wie er sie verlassen hatte, im Zimmer herumlagen, in die Hand nehmen. Ich musste auch alle seine zuletzt benutzten Kleider waschen und sie verpacken.

Ich verstaute die Spielsachen in Kisten. Schrieb Lars’ Name oben drauf. Trug alles in den Keller. Füllte das nun leere Zimmer mit meinem Leben.

Ein Sakrileg? Ein Gebot der Stunde? Ich stürzte mich mitten in den Schmerz, wurde eins mit ihm und eins mit diesem unserem Raum. Sein Zimmer. Mein Zimmer. Wir waren und sind untrennbar miteinander verbunden.

In jener Zeit stellte sich eine neue Wahrnehmung ein: Ich konnte Menschen lesen. Fuhr ich mit dem vollen Bus in die Stadt, ertrug ich den Lärm kaum, den alle Gefühle und Gedanken der Mitfahrenden in mir produzierten. Es war mir im öffentlichen Raum zu laut geworden. Überall da, wo ich mit vielen anderen Menschen zusammen war. Doch es gelang mir nicht, mich diesem Lärm zu entziehen. Weder die äußeren noch die inneren Ohren konnte ich verschließen.

Kaum betrachtete ich einen Menschen, spürte ich, las ich, wie es ihm ging. Sowohl bei Bekannten lief das so als auch bei wildfremden. Obwohl ich natürlich bei Unbekannten nicht überprüfen konnte, ob meine Wahrnehmungen mit der realen Befindlichkeit dieser Menschen übereinstimmten. Bei Bekannten hingegen tat ich das schon immer mal wieder, doch es war unglaublich anstrengend. Und ich wollte das auch gar nicht. Ich wollte doch gar nicht so viel fühlen. Ich fühlte ja selbst schon genug. Alles überforderte mich. Ich konnte es aber nicht ändern und zog mich mehr und mehr zurück. Den öffentlichen Verkehr fing ich an zu meiden und bewegte mich fortan zu Fuß, per Fahrrad und mit dem Auto vorwärts.

Erstaunlich daran war, dass ich zwar das Leid mir unbekannter Menschen im Bus mitfühlte und geradezu mitlitt, doch die Freude jener, die fröhlich waren, erreichte mich nicht. Weil diese Wahrnehmungen nicht mehr aufhörten, auch nach den ersten Wochen nicht, mied ich nach und nach alle große Menschenansammlungen, besonders große Einkaufsläden. Ich reduzierte viele meiner Handlungen auf ein halbwegs erträgliches Mindestmaß und begann meine Wohnung immer mehr als Höhle, als mein Schneckenhaus, wahrzunehmen. Die Wohnung und der Wald wurden zu meinen Schutzräumen. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, dass es je wieder anders sein könnte.

Überleben tat ich in diesen ersten Monaten vor allem aus dem Grund, weil ich dachte, es Lars schuldig zu sein. Ich hatte schließlich das Drama überlebt, also musste ich doch nun irgendwie weiterleben. Die Alternative – Suizid – war denkbar und auch der Gedanke, abends für immer einschlafen zu dürfen, war oft da. Lebensüberdruss. Sterbesehnsucht. Nicht-mehr-Leiden-Sehnsucht. Tröstliche Gedanken. Weniger aktiv als passiv dachte ich damals über mögliche Wege des Sterbens nach. Falls ich mich eines Tages entscheiden sollte, selbst zu sterben, dann so würdig wie möglich, schwor ich mir damals. Suizid hatte ich nie grundsätzlich verurteilt. Nur den erweiterten Suizid, ja, den verurteilte ich zutiefst. So wie ich jegliche Form von Übergriffen auf die Leben anderer verurteile.

Ein klein bisschen wollte ich auch um meinetwillen leben, weiterleben – zwar noch ohne Plan und Perspektive –, denn da waren so viele liebe Menschen, die mein Leid mittrugen und die mir Halt gaben. Und die mich liebhatten.

Dank der Opferhilfe Bern und dank einer Anwältin, die sich um meine Rechte und Pflichten kümmerte, ließen sich viele Dinge ein klein bisschen leichter ertragen. So stellte mir die Opferhilfe die Mittel für eine Traumatherapie zur Verfügung und meine persönliche Opferhilfe-Beraterin vermittelte mir schließlich den Kontakt zu Nadja, die neun Monate vor mir ebenfalls ihren Sohn und ihren Mann an den Folgen eines erweiterten Suizids verloren hatte.

Wir verabredeten uns und besuchten gemeinsam die Gräber unserer Söhne. So entstand eine wichtige Schicksalsfreundschaft, die mir vieles in einem neuen Licht erscheinen ließ. Dank ihr kam ich erstmals auf die Idee, mit Hilfe eines Mediums mit Lars Kontakt aufzunehmen.

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars #9 – Dünne Haut

Zurück in meiner kleinen Wohnung brachen Leere und Perspektivelosigkeit mit einer Wucht über mir zusammen, die mich heute an eine Flutwelle denken lassen. Ich war überfordert von einem Alltag allein, hatte ich doch bis dahin immer mit anderen Menschen zusammengelebt. Dieses neue Leben musste ich erst lernen. Und ich musste gezwungenermaßen auch ohne meinen Sohn leben lernen. Ein Leben ohne sein Lachen, ohne seinen Trotz, ohne seine klugen Sätze, ohne seine Warum-Fragen, ohne seine Kuschelnähe, ohne seine Lieder, ohne seine Tränen, ohne seine Streiche, ohne seine Ideen, ohne seine Übermut, ohne seine Liebe.

Unvorstellbar. Unerträglich. Unmenschlich.

Und vermutlich ist es wirklich, wie so viele sagen, das Schlimmste, das es gibt, wenn das eigene Kind stirbt. Für mich jedenfalls. Meine ehemaligen Nachbarinnen und Nachbarn hatten ihr ganzes Hab und Gut bei der Explosion verloren, ich meine Familie. Es mag sich seltsam anhören, doch es war ein Trost für mich, nicht auch noch mein Hab und Gut verloren zu haben. Dass mir wenigstens meine Fotoalben geblieben sind. Dass mir Gegenstände geblieben sind, die eine Art physische Brücke zu Lars schaffen konnten. Dass es den kleinen Bären noch gab und Lars’ Bettwäsche, an der ich schnüffeln konnte.

Dennoch war meine Wohnung – zwei Zimmer und eine kleine Wohnküche – zu klein, als dass ich Lars’ Zimmer in ein Mausoleum hätte verwandeln können. Und ich musste mir dringend Aufgaben schaffen. Schreiben war das eine, mir eine Struktur geben, das andere.

Ich verlangte von mir jeden Tag mindestens einen sozialen Kontakt ab: Mindestens einmal pro Tag raus aus der Wohnung. Einkaufen, spazieren gehen, jemanden anrufen, jemanden besuchen oder einladen. Und Yoga. Jeden Tag. Haushalt natürlich, was aber ohne Kind viel weniger Arbeit machte. So gestaltete ich meinen neuen Alltag um das Schreiben der Bewerbungen herum. Nach der maximalen Zeit, die mir meine Krankschreibung erlaubt hatte, war ich nun wieder eine ganz normale Arbeitsuchende. Da meine Beraterin vom Arbeitsamt sehr menschlich war, improvisierten wir im Rahmen der Möglichkeiten, so dass der Erfolgsdruck, baldmöglichst eine neue Stelle zu finden, erträglich war. Wenigstens dort ein bisschen Erträglichkeit. Wieder täglich zur Arbeit gehen zu sollen war unvorstellbar. Vielleicht werde ich nie wieder normal?, dachte ich oft. Vielleicht kann ich nie mehr ein normales Leben führen. Was immer diese Normalität war, das hier war es jedenfalls nicht.

Einerseits setzte ich mich unter Druck, wollte baldmöglichst wieder funktionieren, glaubte zumindest, es zu sollen, andererseits wollte ich lernen, liebevoll mit mir umzugehen, wollte mir den Raum zu trauern, auch wirklich geben. So gut das eben ging. Wirklich zu trauern hieß für mich, mir keine Abkürzungen zu erlauben. Keine Ablenkungen zuzulassen. Der richtige Ansatz für mich, ohne Frage, doch war ich sehr oft sehr streng mit mir. Aus heutiger Sicht wohl zu streng.

Ich war eine Überlebende. Eine Überlebthabende. Leben aber, richtig leben ging anders. Wie das ging, hatte ich vergessen. Für mich wäre es eine Abkürzung, die ich nicht gehen wollte, gewesen, Medikamente, die meinen Schmerz gedämpft hätten, einzunehmen. Nur am Anfang hatte ich kurz ein chemisches Beruhigungsmittel genommen, doch mit diesen Tabletten hatte ich nicht mehr träumen können. Stattdessen war ich wie ein Stein eingeschlafen und am Morgen wie aus einem tiefen Koma gewacht. Alle Grautöne, die wohltuende Dämmerung zwischen Wachsein und Schlafen, fielen dabei weg; doch genau jene Zeit war es schon immer gewesen, die mir besonders gut getan hatte. Jene Phase, in der das Herz frei hatte, in der es fühlen konnte, was es wollte, ohne von meinem Kopf ständig überwacht zu werden. Jene Phase des freien Assoziierens fehlte mir schon nach wenigen Tagen so sehr, dass ich lieber schlaflose Nächte auf mich genommen hatte. Und Albträume. Und ein nassgeweintes Kissen.

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars – Teil 8: Geborgenheit und Spielen

Eine liebe Freundin war im Sommer 2003 gesundheitlich angeschlagen, weshalb sie sich nur schlecht bewegen und auch nicht an Lars’ Abschiedsfeier dabei sein konnte. Ich vermisste sie. Schon im Frühling hatten wir geplant, dass Lars und ich im Sommer eine Woche oder zwei zu ihr fahren würden, nach Frankreich, in die Lebensgemeinschaft, in der ich eine Zeitlang mitgelebt hatte. Nun sehnte ich mich danach, nicht nur am Telefon mit ihr über das Erlebte zu reden, sondern mit ihr zusammen am Feuer zu sitzen und hinzuschauen, was war. Was ist. Was werden kann. Diese große Schwester meines Herzens fehlte mir. Ob ich trotzdem hinfahren sollte? Ob ich diese Reise alleine schaffen würde? In meinem desolaten Zustand mit fragilem Kreislauf und den immer öfter auftretenden Panikattacken?

Das Zelt hatte ich eigens dafür gekauft, um mit Lars zu zelten. Wir hatten uns beide sehr darauf gefreut. Seit dem Umzug hatte es in Lars’ Zimmer gestanden, doch inzwischen hatte ich es abgebaut, eine oder zwei Wochen nach Lars’ Tod, und in den Keller gestellt. Bei meiner Freundin würde ich, wenn ich allein hinfuhr, allerdings eher nicht zelten. Ich würde in einem der Gästezimmer, von denen es dort ja genug hatte, schlafen. Falls ich hinfahren würde.

Eines Tages packte ich also einfach meine Sachen. Den Laptop, der mir damals zu einem meiner treusten Gefährten geworden ist, weil ich ihm jederzeit alles erzählen konnte, musste natürlich auch mit. Ich schrieb schon lange und fast täglich Tagebuch; dazu all die Mails und Briefe, an Freundinnen und Freunde. Auch an Lars schrieb ich weiterhin Briefe – ein Prozess, den ich in der Schwangerschaft angefangen hatte und der mir jetzt beim Loslassen half.

Es wurde meine erste längere Autoreise ganz allein. Eine von vielen, die noch folgen würden. Und ich schaffte es. Unterwegs legte ich ein paar Pausen ein, doch im Grunde war es ja nicht so schwer. Ich war diese Strecke ja schon oft gefahren, meistens als Mitfahrerin allerdings oder mit jemandem, der mich lotste, wenn ich unterwegs unsicher wurde. Mit einer Karte auf dem Schoß, denn Handy und Navigationsgerät waren damals ja noch kein Thema, wie mir eben bewusst wird.

Es war später Nachmittag, als ich den unbefestigten Weg zu den Häusern der Lebensgemeinschaft herunterrollte. Hochsommer. Ende Juli. Ziemlich genau ein Jahr seit dem letzten Mal. Seit jenem Besuch hier, bei welchem sich Lars am letzten Tag die Hand eingeklemmt hatte. Und nach welchem Antonio uns drei mit Alkohol im Blut und überhöhter Geschwindigkeit, dazu ein paar Tage früher als geplant, nach Hause befördert hatte.

Wie gut es tat, hier zu sein! Am nächsten Tag würden unser gemeinsamer Freund M., mit dem ich in Zürich zusammengewohnt hatte, und andere gemeinsame Freunde eintreffen, doch den ersten Abend hatten wir zwei Frauen nur für uns. Einfach hier zu sein war wie Balsam. Zusammen zu lachen, trotz allem Schrecklichen, tat so gut.

Als sich am nächsten Tag die andern Besucherinnen und Besucher aus der Schweiz verspäteten, wurde ich beinahe panisch. Erst nachdem sie von unterwegs angerufen und eine Stunde Verspätung gemeldet hatten, wurde ich ein bisschen ruhiger. Da begriff ich, dass vergebliches Warten auf Menschen zu einem Trigger für mich geworden war. Der Grund lag auf der Hand.

Noch heute reagiere ich latent panisch, wenn sich jemand unüblicherweise und unentschuldigt verspätet. Panikattacken lassen sich kaum beeinflussen, sie entziehen sich meinem Verstand und allen Vernunftgründen. Immerhin kann ich damit heute ein wenig gelassener umgehen.

Als die Freunde und Freundinnen schließlich angekommen waren, verdreifachte sich unsere kleine temporäre Gemeinschaft auf einen Schlag. Diese Lebendigkeit tat mir gut. Menschen und Gespräche, wann immer ich es wünschte, Stille und Natur, wann immer ich dies brauchte. Und immer war jemand da, der mich in die Arme nahm, wenn ich weinen musste.

Wir waren fast immer draußen. Am Feuer, am Fluss, am nahen Stausee, im Wald, wir redeten, wir kochten und aßen gemeinsam, wir fuhren fast jeden Nachmittag an den Lac de Vouglans, um zu schwimmen Und vor allem spielten wir ganz oft Karten. Ein neues Spiel eroberte mein Herz im Sturm. ’Der große Dalmuti’. Er rettete mich davor, in Schwermut zu versinken und half mir dabei, der Dunkelheit immer mal wieder mit einem mutigen Lachen zu entkommen.

Unglaublich, dass ich in solchen Momenten überhaupt lachen konnte! Es war mir oft so, als ob Lars sich mitfreuen würde. Sowohl unser Freund M. als auch meine Freundin M. hatten Lars gekannt, hatten die eine oder andere Geschichte von ihm zu erzählen. So war mir, als wäre er da. Mitten unter uns.

Ich begreife heute, wie wichtig diese Woche in Frankreich für mich gewesen ist. Es war mein tiefes Atemholen, bevor der Alltag allein, allein mit all dem noch zu Bewältigenden, auf mich zurollen würde.

Eine Auszeit, die mein Herz mit Liebe und Freundschaft, mit Mitgefühl und mit Lachen genährt hatte. Und wo meine Tränen Raum hatten zu fließen.

Ich erinnere mich an die eine Nacht, die mein Freund M. und ich unter dem Sternenhimmel verbracht hatten. Intensive Träume hatte ich da draußen auf dem Hofplatz. Ich träumte davon, dass alles anders ist, als es scheint. Von einer Brücke handelte der Traum, über die ich schreiten würde, und hätte ich die Brille aufgehabt, nachts, hätte ich bestimmt ganz viele Sternschnuppen gesehen. In einer Landschaft mit wenig Lichtverschmutzung kann man die Sterne viel besser sehen als in dicht besiedelten Gegenden. In dieser Ecke des Haut-Jura war der Nachthimmel schon immer grandios gewesen. Ob Lars nun auf einem dieser Sterne saß, wie der kleine Prinz, und mir zuwinkte? Ein Gedanke, der mir immer wieder, wenn ich den Sternenhimmel betrachte, ein leises Lächeln schenkt.

Zu dritt – Freundin M., eine anderen Frau, deren Großmutter kürzlich an den Folgen der Schweinegrippe gestorben ist und ich – feierten wir in diesen Tagen auch ein Loslassritual. Ich verbrannte dabei alle Briefe Antonios, die ich eigens dazu mitgenommen hatte. Wie Altlasten empfand ich sie, die mich daran hindern wollten, frei zu sein.

Ich ahnte den noch langen Weg in die Freiheit vor mir. Dabei solche Freundinnen und Freunde an der Seite zu wissen, ist etwas vom kostbarsten überhaupt.

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars – Teil 7

Antonio hatte unzählige Gelegenheiten gehabt, neue Werkzeuge kennenzulernen, reflektieren zu lernen, genauer hinzuschauen, Hilfe anzunehmen. Auch wenn seine Wut aufs Leben, dieses Nicht-leben-können seine Ursprünge in seiner Kindheit und Jugend gehabt hatte.

Und ja, ich verurteile Antonios Tat. Ich finde es auch heute noch schrecklich, was er getan hat. Unsäglich. Aber heute verurteile ich Antonio nicht mehr. Vermutlich habe ich ihm verziehen. Losgelassen. Mir zuliebe.

P. begleitete uns drei anschließend zum Bahnhof. Er war vollkommen neben der Spur. Er hatte seinen Bruder geliebt. Und er hatte Lars geliebt. Ich versuchte ihm zu sagen, wie viel Trost und Kraft ich zurzeit aus Lars’ Vermächtnis ziehe, aus Lars’ Lachen und seiner Lebensfreude. Dass Lars will, dass wir weitergehen. Dass er will, dass es uns gut geht. P. war, anders als sein Vater, nicht an Schuldzuweisungen interessiert, aber er war verzweifelt, voller Fragen, ohne Antworten. Er hatte von uns allen seinen Bruder vermutlich am besten gekannt. Und wohl auch am unmittelbarsten geliebt.

An diesem Wochenende besuchte mich Antonio. Ich hatte mich für eine kleine Siesta aufs Bett gelegt, nachdem ich die ganze Wohnung geputzt und das Innenzelt, das noch immer in Lars’ Zimmer aufgebaut gewesen war, abgebaut hatte. Im Zustand einer tiefen Entspannung, in den ich mich wieder besser, fast so wie früher, fallen lassen konnte, sah ich Antonio. Er kam zur Tür herein, auf dem Rücken einen ledernen Rucksack. Er trug ein ärmelloses Shirt und wirkte ruhig und zugleich zerknirscht.

Was machst du hier?, sagte ich, laut, weil das alles so wirklich war.
Es tut mir so leid, sagte er, kannst du mir verzeihen?
Ja, sagte ich. Eines Tages schon. Nicht jetzt. Später …

Als ich später mit meiner ehemalige Nachbarin S. telefonierte, die ja am Tag vor der Explosion von ihrer inneren Stimme gesagt bekommen hatte, dass sie baldmöglichst das Haus verlassen solle, erzählte ich ihr von meiner Begegnung mit Antonio. Antonio hatte sie offenbar ebenfalls besucht. Und auch sie hatte er um Verzeihung gebeten. Er hatte sie zudem gefragt, wie er frei werden könne. Da sie, als Buddhistin, einiges über diese letzten Wege wusste, erklärte sie ihm den Weg. Er habe sich bedankt und sich verabschiedet. Später hörte ich noch von anderen Freundinnen und Freunden, die ähnliche Begegnungen mit ihm gehabt hatten.

Auch Lars sah ich immer mal wieder. Einmal sagte er, wie lieb er mich habe. Ein anderes Mal bat er mich dringend, das Buch zu schreiben. Erst heute ahne ich, dass er dieses Buch hier gemeint hatte. Nun denn … jetzt tue ich es. Für mich, für ihn.

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars – Teil 6

Oft dachte ich über Antonios letzte Tage und Stunden nach. Fragte mich, wie lange im Voraus er alles geplant hatte. Ob er womöglich bis zuletzt gehofft hatte, dass ich kommen und ihn erlösen würde. Besonders diese eine Frage kaute ich sehr oft wieder. Später erhielt ich bei einem Medium, einer Frau, die Kontakt zu Verstorbenen herstellen kann, eine Antwort.

Am Tag nach Lars’ Beerdigung war die Antonios. Im Dorf seiner Eltern und so anders als die seines Sohnes. Mit Lars’ Götti, und Lars’ Gotti, war ich hingefahren. Wir hatten uns ein wenig früher getroffen und setzten uns in ein Restaurant, um uns gegenseitig zu ermutigen. Hört ihr das? Wie kann das sein?, sagte ich. »I want to get away, I want to fly away.« Lenny Kravitz‘ Stimme sickerte aus den Lautsprechern an unseren Tisch. Gänsehaut. Einer von Antonios Lieblingssongs von einem seiner Lieblingsmusiker.

Meine beiden Begleiter waren ebenfalls tief erschüttert. Was für ein seltsamer Zufall. Wir horchten.

»I wish that I could fly. Into the sky. So very high. Just like a dragonfly.
I’d fly above the trees. Over the seas in all degrees. To anywhere I please.
Oh I want to get away. I want to fly away. Yeah yeah yeah.
Oh I want to get away. I want to fly away. Yeah yeah yeah.«

Wollte er mich mitnehmen?, fragte ich mich kurz. Vielleicht wollte er das wirklich. Aber ich will das noch nicht. Ich will jetzt hier sein.
Nein, ich will eigentlich auch sterben.
Nein, ich will leben. Lars will, dass ich lebe.

Ja, noch war es vor allem Lars, der mich am Leben hielt, so paradox das klingen mag. Mit einer orangefarbenen Rose in der Hand – fast hätte ich geschrieben: bewaffnet –, ging ich an der Seite meiner Freunde auf den Friedhof. Nur die nächste Verwandten waren gekommen, der ältere Bruder und die beiden Halbbrüder mit ihren Familien. Keine andern Freunde außer uns. Wer auch? Da war ja niemand mehr.

Wir saßen vorne in der Kirche und hörten uns das Gesalbader des Pfarrers an. Es war ihm anzumerken, dass er zum einen Antonio nicht persönlich gekannt hatte und zum anderen für seine Laudatio nur auf die Erzählungen meines Schwiegervaters hatte bauen können. Natürlich war Antonio ein wunderbarer Mensch gewesen. Ja. Trotz allem. Ohne Abstriche.

Er war dennoch und vor allem ein verzweifelter und ein unglücklicher Mensch gewesen. Nicht zuletzt durch das Aufwachsen als Sohn eines Vaters, der so narzisstisch und egozentrisch und einzig auf den äußeren Schein bedacht gewesen war, dass Antonio mit seiner Persönlichheit, mit seiner Sensibilität keinen Raum neben ihm gehabt hatte. Auch sein Bruder P. hatte sich immer schwer mit dem Leben getan, war nicht lebensfähig im Sinne einer gesellschaftlich konformen Lebensweise, wie sie sich der Vater für seine Söhne erträumt hatte. Von außen betrachtet.

Ob mein Schwiegervater sich je reflektierende Gedanken über das Innenleben seiner Söhne gemacht hatte? Ob er sich wohl je gefragt hatte, warum gleich beide Drogen konsumiert hatten und ob das womöglich etwas mit ihm und seiner Dominanz zu tun haben könnte?

Vor diesem seltsamen Gottesdienst schüttelte ich dem Pfarrer die Hand uns stellte mich vor. Ich bin seine Frau. Er japste nach Luft und sagte, dass er dachte, dass ich nicht kommen würde. Ein Lapsus, den er sichtlich sofort bereute. Fast wäre ich in diesem Moment wieder gegangen, doch weil A. und M. mir den Rücken stärkten, stand ich es durch.

So gingen wir alle, mit der Urne, die der Pfarrer vor uns her trug, zum Grab. Nein, falsch, kein wirkliches Grab, eine hässliche Betonwand. Nun denn, ein Loch in einer Betonwand würde ab jetzt Antonios Asche hüten. Fast hätte ich geweint und gelacht zugleich. Was hatten sie sich dabei gedacht? Antonio gehörte doch in die Erde, wenn seine Asche schon nicht verstreut werden würde, was er sich immer gewünscht hatte. Doch ich hielt den Mund, denn ich hatte ihnen ja alle Rechte abgeben. Und im Grunde war es mir egal. Dennoch tat es mir weh. Restliebe war das wohl? Die Verwandten legten ihre obligatorischen Rosen, die zuvor an alle verteilt worden waren, ins offene Grab, das eher an eine Schublade erinnerte, während ich – wie eine Aussätzige am Rand der Gruppe stehend, niemand der Verwandten außer P. hatte mich begrüßt – meine orange Rose auswickelte und dabei Papierraschel-Lärm erzeugte, der offenbar, wie mir die bösen Blicke bestätigten, alle in ihrer Andacht störte.

Umständlich legte ich meine Blume zur Urne und trat wieder zurück. Spießrutenlauf. Als die Platte aufs Grab gehoben wurde, traf mich fast der Schlag. Unter Antonios Namen und seinen Geburts- und Sterbedaten standen Lars’ Name und seine Daten. Nicht mal im Tod kann diese Familie ehrlich sein und sich dazu bekennen, dass es nicht so ist, wie es aussehen soll.

Ja, ich spüre es, während ich darüber schreibe, dass ich noch immer ein Gruseln verspüre. Müßige Fragen tauchen auf. Was wäre, wenn Antonio einen anderen Vater gehabt hätte? Und doch: Es war nicht der Vater, nein, es war Antonio gewesen, der die Ventile der Gasflaschen geöffnet hatte. Wir können immer wieder Entscheidungen treffen, allen unseren Prägungen zum Trotz. Und wir können uns verändern, wenn wir unser Handeln reflektieren. Antonio hatte unzählige Gelegenheiten gehabt, neue Werkzeuge kennenzulernen, reflektieren zu lernen, genauer hinzuschauen, Hilfe anzunehmen. Auch wenn seine Wut aufs Leben, dieses Nicht-leben-können seine Ursprünge in seiner Kindheit und Jugend gehabt hatte.

Und ja, ich verurteile Antonios Tat. Ich finde es auch heute noch schrecklich, was er getan hat. Unsäglich. Aber heute verurteile ich Antonio nicht mehr. Vermutlich habe ich ihm verziehen. Losgelassen. Mir zuliebe.

(Fortsetzung folgt)

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Quelle: »Weiterleben | Biografische Essays«, Jana. D., noch unveröffentlicht.

Weiterleben ohne Lars – Teil 5

Eben erst hatte ich das allerliebste, das ich in meinem Leben je erlebt hatte, meinen wunderbaren Sohn, an den Tod verloren, doch war fast zeitgleich etwas ganz Neues in mir aufgewacht, aufgebrochen.

Gegenwärtig und wach erlebte ich ganz bewusst, wie neben diesen unsäglichen Schmerzen, diesem Gefühl von Amputiertsein, etwas Kraftvolles in mir wuchs, das ich selten je so intensiv erlebt hatte. Es keimte aus der Liebe, die ich empfangen und empfinden durfte, von Lars, von all den Freundinnen und Freunden, die zur Abschiedsfeier gekommen waren, aus all den Briefen und aus all dem erlebten Mitgefühl. Es stärkte mir den Rücken und ich fühlte und wusste mich getragen. Und ja, ich fühlte und wusste mich auch Lars sehr nahe. Nicht mehr physisch, aber die Liebe zu ihm war und ist größer als der brutalste Tod. Dass dieser Satz keine Floskel war, erkannte ich täglich mehr. Lars’ Lachen, das mir von den unzähligen Bildern entgegen strahlte, die in meiner Wohnung hingen und die ich oft betrachtete, war mir Medizin und Trost. Ich war sicher, dass er wollte, dass es mir gut geht.

So konnte ich manchmal andere trösten, die mit mir trauerten, was wiederum auch mich tröstete. Nicht, dass ich keine Tränen mehr hatte und habe, aber – trotz all der Sinnlosigkeit – fand ich immer wieder Ruhe in mir. Neben allem Chaos und einer zuweilen schier unerträglichen Leere. Ein Trotz-allem-Friede.

Dass ich nicht verbitterte, nicht verbittern wollte, geht auf eine Art Kuhhandel, den ich mit mir geschlossen hatte, zurück. Entweder ich verbittere und bringe mich eines Tages um oder aber ich lebe eines Tages wieder froh. Etwas anderes gibt es nicht. Keine Kompromisse! So verhandelte ich mit mir in den ersten Monaten nach Lars’ Tod. Verbittern war aber eigentlich keine Alternative und dass ich noch immer lebe, hat mit Lars’ Lachen in mir drin zu tun und mit der Liebe und Unterstützung meiner Freundinnen und Freunde. Und wohl auch mit meiner Bereitschaft, diese Geschenke anzunehmen, wirken zu lassen.

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars – Teil 4

Schon seit Wochen war schönstes, heißestes Sommerwetter gewesen, doch am Tag der Abschiedsfeier, es war ein Mittwoch, hatte es nachts und am Morgen leicht geregnet. Und es war ein bisschen kühler geworden. Wir versammelten uns vor der Kapelle und obwohl ich mit meinen nächsten Menschen extra ein wenig früher dort angekommen war, standen bereits einige Freundinnen und Freunde da und erwarteten uns. Ich wurde von Arm zu Arm weitergereicht. Umarmung folgte auf Umarmung. So viel Trost, so viele Tränen. Wenig Worte, viel Gehaltensein.

Gemeinsam gingen wir ans Grab. Freund M. und mein Bruder P. trugen den Sarg die Treppe hinauf und legten ihn sorgfältig ins dunkle Loch. Hier wäre ich beinahe das erste Mal zusammengebrochen. Mir war schwindlig, schwarz vor den Augen. Die Endgültigkeit dieses Aktes raubte mir den Atem. Meine Freundinnen L. und C. hielten mich fest. Mit ihnen beiden an meiner Seite ging es.

Manche legten Blumen, manche Tannenzapfen auf den Sarg, manche standen einfach da und waren bewegt. Eine Freundin ließ Seifenblasen ins Grab hinab schweben. Was für eine herrliche Idee! Wunderbar schillernd tanzten die Blasen, bevor sie zerplatzten. Ich stellte mir vor, wie Lars kicherte.

In der Kapelle begrüßte B., meine Hebamme, die zahlreich erschienenen Freundinnen, Freunde und Verwandten. Eine Bekannte meiner Verwandten begleitete die Feier auf der Violine. Immer wieder setzte sie Punkte und Doppelpunkte, schloss ab, öffnete neue Türen.

Dazwischen betraten meine Gäste die Kanzel und erzählten von Erlebnissen mit Lars oder lasen Texte vor, die sie als Trost für mich und uns alle ausgewählt hatten. Ich erinnere mich an Texte von Gibran, Saint-Exupéry, Domin und anderen.

Das alles waren wunderbare, liebevolle Geschenke, die sich in meinem Herz wie Samen einnisteten. Das Gegenteil all dessen, was ich in den letzten Jahren an Ablehnung und Kritik erlebt hatte. Und obwohl es hier unpassend klingen muss, wurde mir leicht ums Herz.

Meine Freundin B. und mein Bruder P. haben diese Feier zu einem unglaublich feinen Gespinst aus Liebe und Geborgenheit gemacht – zusammen mit all denen, die dabei waren. Verrückt, wer alles gekommen war: Da waren Freundinnen aus meinem christlichen Leben von weither angereist, Freunde und Freundinnen aus meinen Zeiten in Frankreich und Zürich, daneben meinen eher bürgerlichen Verwandten. Und doch passte alles. Alles eins. Eins in der gemeinsamen Trauer. Eins aber auch in der Liebe zum Leben.

Nach dem letzten Musikstück wanderten wir nochmals gemeinsam zum Grab. Es war nun mit Erde gedeckt und wir schmückten es gemeinsam. Zum Glück war Lars’ Grab das erste eines neuen Grabfeldes, so konnten wir alle in mehreren Kreisen ums Grab stehen. Wer etwas beitragen wollte, trat zum Grab und legte es hin. Ein spontanes Abschiedsritual.

Auf einmal riss der wolkige Himmel auf. Ein Sonnenstrahl durchdrang die Wolkenwand. Viele Köpfe drehten sich gemeinsam zum Himmel und Freund H. sagte: Seht, ein Sonnenbrunnen!

Ja, Lars’ Sonnenbrunnen hatte uns gefunden.

Eine Freundin stimmte das Lied The river is flowing an und alle, die es kannten, sangen mit. Ich hatte mich längst hinknien müssen, denn mein Kreislauf war im Keller. Immer mehr Leute hatten sich inzwischen ebenfalls hingekniet.

Zum Abschluss spielte die Violinistin erneut Dona nobis pacem, wie schon vorher in der Kapelle sowie ganz am Anfang am offenen Grab. Wer oder was immer es ist, der, die oder das Frieden geben kann, in diesem Moment wurde er uns gegeben, dieser Frieden.

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars – Teil 3

Am einen der ersten Nachmittage nach dem Unglück, als meine Freundin C. in meiner Küche von den Fahndern vernommen worden war, hatte ich mich kurz auf Lars’ Bett gelegt, um zur Ruhe zu kommen. Lars’ Zimmer war ein wunderbarer Raum. Ich lag da, das Fenster war offen. Draußen hörte ich Lars’ Kameradinnen und Kameraden spielen und lachen und ich lag einfach nur da.

Auf einmal sah ich wie in einem Film Lars’ Abschiedsfeier vor meinen inneren Augen. Ich sah den Ablauf, sah die Menschen, die in der Kapelle standen und den anderen etwas erzählten; etwas über das Leben, etwas über Lars.

Lars sollte im geschlossenen Sarg aufgebahrt werden, entschied ich. Seinen Anblick wollte ich niemandem zumuten, war ich mir ja selbst nicht sicher, ob ich ihn ein zweites Mal ertragen hätte. Und das nicht nur wegen all seiner Verletzungen. Nach der Aufbahrung, vor der Feier in der Kapelle, würden wir alle gemeinsam mit dem Sarg zum Grab gehen, den Sarg ins Grab begleiten, allenfalls etwas ins Grab zu legen.

Nach der Feier in der Kapelle würden wir alle nochmals ans inzwischen gedeckte Grab gehen. Der letzte Abschied mit der Möglichkeit, etwas auf dem Grab zu hinterlassen. Später würden wir im Wald das Weiterleben mit einem kleinen Imbiss willkommen heißen.

Mein innerer Film war sehr klar und schon kurze Zeit später erzählte ich dem Bestatter, den wir aus dem Telefonbuch gefischt hatten, von meinen Plänen für die Feier. Die Kapelle des ausgewählten Friedhofs buchten wir gleich doppelt so lange wie üblich. Eine sehr weise Entscheidung, wie sich später herausstellen würde.

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars – Teil 2

Noch heute staune ich zuweilen über meine Reaktion in den ersten Tagen nach Lars’ Tod. Wie ruhig ich geblieben bin. Wie intensiv ich alles beobachtet, wahrgenommen und erlebt habe. Im tiefen Schmerz zwar, und zeitweilig starr und atemlos, dennoch sehr bewusst. Klar irgendwie. Ich lebte auf Autopilot und bezog meine Energie von einem Notstromaggregat, dessen Vorhandensein mir nicht bewusst gewesen war, bis ich es gebraucht hatte. Ich wusste von Anfang an, dass es irgendwann nicht mehr funktionieren würde, wenn es nicht wieder mit neuer Energie befüllt würde. Noch aber ging es. Ich hielt durch. Ich hielt mich aufrecht. Und ja, ich trauerte exzessiv. So intensiv und so bewusst, dass ich es noch heute, viele Jahre später, fast körperlich spüren kann, wenn ich mich auf die Erinnerungen an diese Zeit einlasse.

Die erste Woche nach Lars’ Tod verging mit den Vorbereitungen für die Beerdigung, mit dem Leeren des Briefkastens, der täglich übervoll mit Briefen und Karten voller Anteilnahmen waren – oft von fremden Menschen sogar –, mit Telefongesprächen und den Besuchen von Freunden und Freundinnen.

Der Verdacht, dass Antonio am Freitag vor der Explosion in einem örtlichen Fachhandel drei große Campinggasflaschen gekauft und sich ins Haus hatte bringen lassen, hatte sich schließlich bestätigt. Offenbar muss er den ganzen Tag über das Gas langsam ausströmen haben lassen. In der Absicht daran zu sterben. Zusammen mit Lars. Weil Campinggas nicht tödlich aber hochexplosiv ist, kam alles anders als er es gewollt hatte. Was immer er wirklich gewollt hatte. Ein ganz und gar anderes Leben vermutlich.

Ich auch. Inzwischen war ich unfreiwillig eine Art gläserner Mensch geworden. In den Zeitungen wurde über unsere Trennung berichtet, es wurde gemutmaßt und spekuliert und ich las das alles, ohne mich darin wirklich wiederzuerkennen. Niemand wusste wirklich, wie es gewesen war. Was wirklich geschehen war.

Mehr interessierte mich, wie ich das alles ertragen sollte. Und wie konnte wir eine Abschiedsfeier gestalten, die wirklich diesen Namen verdient hatte?

(Fortsetzung folgt)

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Weiterleben ohne Lars – Teil 1

Mit jedem neuen Tag wird mir Lars’ Tod ein wenig wirklicher, dafür lässt der Schockschutzpanzer nach und der Schmerz ist oft unerträglich. Ich weine viel. Ich weine, wenn ich alleine bin und ich weine mit andern. Ich lasse meine Tränen zu und will im Grunde nur eins: Feststellen, dass das alles nicht wahr ist. Ich will Lars spüren, ich will mit ihm lachen. Ich will am Morgen erwachen und erkennen, dass es nur ein böser Traum war. Alles ist so verdammt verkehrt und so unglaublich anders. So verkehrt, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das alles schaffen soll. Ich will, dass alles wieder normal ist. Und ich will auch nicht mehr von allen mit Samthandschuhen angefasst werden. Dennoch ist es ohne Frage das wirklich einzige Wohltuende, jetzt, in diesen Tagen, umsorgt zu werden, gehalten, getragen. Ich weiß mich geborgen in der freundschaftlichen Liebe meiner Freundinnen, Freunde und Verwandten.

Am Mittwoch erfahre ich aus der Zeitung, dass Antonio die drei großen Gasflaschen am Tag vor dem Knall gekauft habe. Er habe sie sich ins Haus liefern und den ganzen Samstag Gas in der Wohnung ausströmen lassen. Die Vermutung drängt sich auf, dass er sich und Lars vergasen wollte. Sanft einschlafen? Oder vielleicht doch lieber gefunden werden?

Vollkommene Gewissheit werden wir nie haben, doch ich bin sicher, dass Antonio nicht mit diesem Ausgang, dass er nicht mit der Explosion gerechnet hat. Immer wieder stelle ich mir vor, dass er bis zuletzt gehofft hat, gerettet zu werden. […]

Tage später, bei den Aufräumarbeiten, tauchen die Meerschweinchen der Nachbarskinder auf – höchst lebendig, was in diesem ganzen Chaos einem kleinen Wunder gleichkommt. […]

All die vielen Kleinigkeiten, die aus den Trümmern geborgen werden und die wir ehemaligen Nachbarinnen und Nachbarn eines Tages im Berner Zeughaus abholen dürfen: sie gleichen kleinen Fenstern in eine andere Welt, in eine unwiederbringlich vergangene Zeit.

Was für ein Spießrutenlauf für mich! Bei dieser Gelegenheit begegne ich den Eltern jener jungen Frau, die ebenfalls bei der Explosion gestorben ist. Wegen meines kranken Ex-Mannes. Wie leid sie mir tun! Und das, obwohl ich langsam begreife, dass das, was passiert ist, nicht meine Schuld ist. [Es ist Antonios Tat, nicht meine. Das musste ich mir damals immer wieder und das muss ich mir zuweilen auch heute noch in Erinnerung rufen.] Wir reden kurz miteinander. Aber trösten kann ich sie nicht. Zu gut verstehe ich ihre Not.

(Fortsetzung folgt)

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Der dritte Tag ohne Lars – Teil 2

Der Nachmittag in der Stadt ist schlimm. Eine heftige Panikattacke überfällt mich, als ich im Copyshop auf die Bedienung warten muss. Es ist so laut und so wirr hier. Ich ertrage die vielen Leute nicht. Schwägerin C. begleitet mich nach draußen, wo ich mich auf eine Bank setze. Alles dreht sich vor meinen Augen. Die Welt kommt mir schief vor, laut und bunt. Obwohl doch in ihr etwas so Schreckliches passiert ist. Obwohl doch Lars nicht mehr da ist. Sie dreht sich einfach weiter, diese Welt, und ich sitze da und versuche, Luft zu bekommen und ruhig zu atmen. Schwägerin C. kauft derweil das ausgewählte Papier und die Umschläge und bringt das Bild von Lars zum Fotografen. Als wir in die Apotheke gehen, geht es mir wieder besser. Meine Ärztin hat mir ein sedierendes Psychopharmakon verschrieben und mir jede hilfreiche notwendige Unterstützung zugesagt.

Mit meinem Bruder P., meiner Schwägerin C. und Freund M., einem ehemaligen Wohngenossen, der inzwischen eingetroffen ist, fahren wir anschließend in den nahen Wald. Nach der Abdankung, die, wie wir inzwischen in Absprache mit dem Bestatter entschieden haben, auf dem nahen Friedhof S. in B. stattfinden wird, wollen wir einen kleinen Imbiss im Wald abhalten. Ein optimaler Platz ist schnell gefunden, denn hier kenne ich mich aus. Noch vor wenigen Tagen bin ich hier mit Lars vorbeispaziert. Und nun ist er tot. Und ich lebe. Ich lebe einfach weiter. Wir alle. Es ist nicht fair, dass Kinder sterben; es ist verdammt noch mal unfair, dieses Leben.

Aber dir, Lars, dir geht es gut. Ich spüre es. Ich weiß es. Ich vermisse dich dennoch. So sehr.

Mein Bruder P. sagt, dass meine Geschwister und eine Freundin von ihnen, die in der Gastronomie arbeitet, die Organisation des Imbisses nach der Abdankung übernehmen wollen. Ich bin dafür so dankbar. Ich erschrecke auf einmal über die Erkenntnis, wie froh ich darüber bin, dass meine Eltern das alles nicht mehr miterleben mussten. Wie hätten sie das gehandhabt? Meine Mutter? Hätte sie gesagt: Ich habe es dir ja gesagt?! (Anwendbar auf jede Kreuzung im Leben, die man rechts, links oder geradeaus fahren kann.)

Mit Freund M. zusammen, der heute bei uns auf dem Futon übernachtet, verpacke ich am Abend die Todesanzeigen, die ich auf das gelbe Papier ausgedruckt habe. Links ein Bild von Lars, darunter einige Zeilen aus dem kleinen Prinzen von Saint-Exupéry, die ich besonders tröstlich finde. Rechts einige Zeilen über Lars und darunter die Daten der Abschiedsfeier. Untypisch für eine Todesanzeige, aber typisch für mich. Und so wie es zu Lars und mir passt.

(Fortsetzung folgt)

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Der dritte Tag ohne Lars – Teil 1

Freundin C. hat mir für heute, Dienstagnachmittag, einen Notfalltermin bei meiner Hausärztin, die auch ihre Ärztin ist, organisiert. Heute wird mir meine Schwägerin C. tagsüber beistehen, da Freundin C. in ihrem Büro unentbehrlich ist. Meine Schwägerin C. und ich wollen nach dem Besuch bei der Ärztin zu einem Fotografen gehen, um für die Abschiedsfeier eine Vergrößerung eines Bildes von Lars abziehen zu lassen. Auch brauchen wir Papier für die Todesanzeigen. Das alles gibt es am Hauptbahnhof. Für den Vormittag steht allerdings ein erneuter Besuch bei der Polizei auf dem Programm, da wir am Vortag mit meinen Aussagen nicht fertig geworden sind. Nach der Identifikation von Lars in der Rechtsmedizin war ich zu erschöpft gewesen, um damit weiterzumachen. Dieser Dienstag würde ein voller Tag werden.

Erneut erwache ich, ohne mich vorerst an die Ereignisse der letzten Tage zu erinnern. Erst allmählich taucht alles wieder auf, es drückt mich von innen und ich bekomme kaum Luft. Nur langsam tauche ich an die Oberfläche, wo es nicht mehr ganz so weh tut und wo einzig das äußere Funktionieren zählt. Ich koche Tee und Kaffee. Gehe duschen. Ziehe mich an.

Im Briefkasten liegt die neue Ausgabe der Tageszeitung, die ich zur Probe abonniert habe. Im Briefkasten liegen auch, wie gestern schon, weitere Beileidskarten. Bereits im Treppenhaus springen mich die Schlagzeilen auf der Zeitung an. Selbst in meiner seriösen Zeitung stehen Dinge über mich, die ich nicht in meiner Tageszeitung lesen will. Obwohl es die sogenannten Fakten sind. »Familiendrama führte zu einem Akt erweiterten Suizids« steht da. Jedenfalls so ähnlich. Und so ähnlich steht es heute auch in allen anderen Schweizer Tageszeitungen. (Einzig das Boulevardblatt mit dem roten Namen nennt mich beim Namen. Meinen vollständigen Vornamen und den ersten Buchstaben meines Nachnamens. Außerdem berichtet es davon, wie ich vor Ort neben den Trümmern zusammengebrochen sei. Was so natürlich nicht stimmt. Diesen Zeitungsbericht sehe ich zum Glück erst später irgendwann.)

Nach den Schlagzeilen auf der Titelseite schaffe ich es nun kaum, die Treppe in den dritten Stock hochzusteigen. Mir ist schwarz vor Augen. Schwindlig. Kaum in der Wohnung lasse ich mich an die Wand gelehnt im Flur auf den Boden fallen, nicht mal ins Wohnzimmer schaffe ich es. Mein Blutdruck ist im Keller. Ich kann kaum atmen.

Nun wissen es alle!, fühle ich und denke ich. Nun wissen es alle, dass ich in meiner Ehe versagt habe. Dass ich meinen Mann verlassen habe. Aber, und das denke ich ebenfalls, aber das ist doch einfach nicht fair! Ich bin doch nicht die einzige Schuldige. Aber alle werden nun glauben, dass das alles nur deshalb passiert ist, weil ich böse Egoistin meinen armen, kranken Mann verlassen habe. Und dazu habe ich überlebt, statt hinzufahren und sie zu retten. Oder zumindest mit Antonio und Lars zu sterben.

Freundin C. hilft mir wieder auf die Beine und begleitet mich zum Bett. Ich lege mich nochmals kurz hin. Bald klingelt das Telefon. Bestimmt die Polizei! Oh, wir müssen los! Aber ich kann doch jetzt nicht …

Die beiden Polizisten sind in weiser Voraussicht, da sie ebenfalls Zeitung gelesen haben, direkt zu uns gekommen, statt mir die Fahrt zu ihnen zuzumuten. Darüber bin ich sehr froh. Auch dass Freundin B. noch immer da ist. Sie und Freundin C. beantworten dem einen Polizisten in der Küche dessen Fragen, während ich mit dem andern Polizisten in meinem Wohn- und Schlafzimmer sitze, ihm mehr aus meinem Leben mit Antonio erzähle und seine noch offenen Fragen beantworte. Auf einmal hält der Polizist inne und schaut mich mit diesem Blick an, den ich inzwischen schon oft bei ihm gesehen habe. Respekt?

Was mich erstaunt, Frau M., ist ja, dass Ihre Aussagen die objektivsten sind, die wir inzwischen bekommen haben. Niemand sonst hat so fair über Antonio gesprochen wie Sie. Und inzwischen sind schon ziemlich viele Aussagen zusammengekommen, glauben Sie mir. Dass Sie bei all diesem Schrecklichen trotzdem so nahe an den Fakten über ihren Mann reden können! Ich gestehe, dass Sie meinen ganzen Respekt dafür haben. Nun gut, machen wir weiter …

Die Aussageprotokolle drucken wir, damit ich alles gleich unterschreiben kann und nicht nochmals auf die Wache muss, gleich auf meinem Drucker aus. Wieder rauchen wir auf dem Balkon unsere rituelle Zigarette und zum Abschied verkaufe ich dem einen Polizisten, der auch Kinder hat, Lars’ letzte angebrochene Windelpackung. Er darf sie leider nicht als Geschenk annehmen und ich möchte eigentlich auch kein Geld annehmen, aber nun denn …

Erst an Lars’ Beerdigung sehe ich die beiden wieder und ein halbes Jahr später, zu Weihnachten, erhalte ich von den beiden eine sehr persönliche handgeschriebene Weihnachtskarte mit ihren allerbesten Wünschen.

(Fortsetzung folgt)

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Der zweite Tag ohne Lars – Teil 2

Anschließend fahren wir alle, eskortiert von den beiden Fahndern, ins Rechtsmedizinische Institut, wo ich Lars ein allerletztes Mal sehen werde. Nur mein Bruder, Freundin L. und ich gehen schlussendlich in den Raum. Die Fahnder, meine Schwägerin und Freundin C. bleiben draußen. Ich will und ich muss. Könnte ich heute, viele Jahre später, die Zeit zurückdrehen, würde ich anschließend an die Obduktion meinen Sohn mit nach Hause nehmen, im Sarg, und ihn berühren. Dazu bin ich damals jedoch nicht in der Lage. Nicht einmal, als mir K. N., jener sehr kompetente und herzliche Bestatter, den wir zufällig aus dem Telefonbuch gepickt haben, genau das vorschlägt.

Nur P., L. und ich betreten also den Raum, der so ganz anders ist als die kalten Aufbewahrungshallen, wie man sie aus Krimis kennt. Lars: hinter Glas, aufgebahrt und in Tücher gewickelt. An Farben erinnere ich mich nicht mehr. Aber hell war alles. Hell und liebevoll. Ich meine mich zu erinnern, dass der Raum etwas Sakrales ausstrahlte, Ein kleiner, abgedunkelter Raum mit indirektem Licht. Kerzen womöglich? Eine Art Terrarium also, in das wir blicken. Ein Stilleben; nature morte, die französische Übersetzung, trifft es besser, tote Natur. Unwirklich alles. Ich stehe neben mir. Lars’ Augen sind geschlossen, seine Wangen rot und zerkratzt, ansonsten sieht er beinahe unbeschadet aus. Liegt ruhig da, eine Blume auf seiner Brust; oder spielt mir meine Erinnerung einen Streich? P. und L. halten mich fest, ganz großer Bruder und liebe Freundin. Noch nie habe ich Menschen so sehr gebraucht wie in diesem Moment.

Es ist nur seine Hülle, sagt P.. Immer wieder sagt er es. Das ist nur seine irdische Hülle. Meine Knie werden weich. Können mich kaum aufrecht halten.

Ich sehe Lars. Alles was ich noch kann. Sehen. Ansonsten bin ich ganz und gar leer. Kann nicht denken. Kann nicht fühlen. Da ist nur Leere. Und dieser Schwindel. Es ist nur seine Hülle, sagt P. wieder. Eine Stimme aus dem Off fragt, ob das mein Sohn sei.

Ich fühle und sage: Das ist doch nicht mein Sohn! Denn nein, er ist es nicht, er ist es nicht mehr; nicht dieser Lars, den ich liebe. Den ich kannte. Den ich geboren habe.

Die Stimme fragt nun, ob ich sicher sei, dass das nicht mein Sohn sei. Fast ein wenig böse sage ich: Doch, natürlich ist er es. Er versteht ja doch nicht. Sinnlos also, ihn mit Rätseln, die niemand lösen kann, zu verwirren. Er kann ja nichts dafür, der Arzt, aber mir ist nicht nach Floskeln.

Auf einmal überflute ich. Da ist nur noch Hass. Wir gehen in den Flur zurück, wo C. und meine Schwägerin mit den beiden Fahndern warten. Ich stürze mich ans Fenster, bekomme kaum mehr Luft, reiße das Fenster auf, schreie: Ich hasse dich, ich hasse dich, hörst du, ich hasse dich … Ich bin so außer mir wie noch nie. Ich weiß, ich werde explodieren, wenn ich diesen Hass jetzt nicht herausschreien kann.

Und auf einmal ist es wieder vorbei. Mein innerer Vulkan ist eruptiert, die heiße Lava namens Hass hat sich ergossen und in mir ist wieder nur noch Leere. Ich will nichts mehr. Hoffe nichts mehr. Fühle nichts mehr. Bin taub.

Freundin L., Bruder P. und seine Frau C. fahren nach Hause, Freundin C. kommt wieder mit zu mir, in unsere temporäre WG. Später kommen Ca. und B. Ca. ist meine allererste Yogalehrerin gewesen, B. meine Hebamme und ebenfalls Yogini. Wir vier Frauen sitzen am Tisch. Irgendeine hat gekocht, glaube ich, und wir tauschen Erinnerungen an Lars aus. Eine war neulich auf dem Friedhof in Br., einem wunderschönen Platz. Wir beschließen spontan, mit meinem Auto dorthin zu fahren und ihn uns anzuschauen. Vielleicht könnten wir Lars ja dort beisetzen?

Der Ort ist wunderbar magisch, still, und strahlt viel Geborgenheit aus. Wir setzen uns in die Kirche und auf einmal singen wir Mantren. Später, zurück bei mir, texten wir die Todesanzeige. Ich habe schon am Nachmittag, mit L. zusammen, damit angefangen. Nun gestalte ich die Karte auf dem Laptop fertig und wir überlegen, welche Papierfarbe dazu passen könnte. Hellgelb, blaßgelb, entscheiden wir.

Diese Nacht schlafen wir zu dritt in meiner kleinen Wohnung. Das neue Futonsofa kommt das erste Mal zum Einsatz. B. weiht es ein. Ich nehme wieder eine Schlaftablette.

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Der zweite Tag ohne Lars – Teil 1

Der nächste Morgen findet mich verkatert. Das Schlafmittel hat mich regelrecht ausgeknockt. Ich habe so tief geschlafen, dass ich eine ganze Weile brauche, bis mir alles wieder einfällt. Ich koche Kaffee für meine Freundin und Tee für mich und ziehe viel Kraft aus diesen banalen Handlungen. Auch das Duschen tut gut. Obwohl ich im Grunde überhaupt nichts gut finde. Nicht jedenfalls, was passiert ist. Nichts davon kann ich wirklich verstehen, noch immer weiß ich nicht, was die Explosion verursacht hat, noch wie Antonio damit zusammenhängt. Und dennoch ist in allem Unbegreiflichen drin etwas, was im Grunde noch viel unbegreiflicher ist. Worte wie Frieden, Ruhe oder Trost für das, was mich erfüllt, klingen banal. Treffen nicht den Kern.

Doch sie ist da, diese neue Ruhe. Hat dem ständigen Lärm, diesen allgegenwärtigen inneren, emotional aufwühlenden Wörterlärm, dieses Kopfkino in mir, abgelöst. Es ist ja nicht so, dass ich Stimmen gehört habe, das nicht, doch bin ich kaum mehr in der Lage gewesen, in ganzen Sätzen, zusammenhängend, zu denken. Wie lange das schon gedauert hat, vermag ich hinterher nicht mehr zu sagen. Schreibend denken habe ich immer gekonnt, doch konzentriert und ruhig zu denken, habe ich nach und nach verlernt. Am Samstagabend, es muss um die Zeit herum gewesen sein, als Antonio starb, ging ein Plopp durch meine Innenräume und löste den Wörtersalat, den Wörterlärm, auf. Und nun: Einfach Ruhe. Neben aller Sorge, Ungewissheit, Tausenden von Fragen und all der vielen sinnlosen Erklärungsversuche. In mir drin war diese neue Ruhe. Wieder nur noch ich mit meinen eigenen Gedanken. Mit meiner eigenen Art zu denken. Ich habe Antonios Kraftfeld endlich verlassen.

Später kommen mein Lieblingsbruder und seine Frau. Auch Freundin L. kommt wieder, und wir treffen Entscheidungen. Was zu tun ist. Die Bestattung. Wo. Was. Wer. Die Karten. Wer übernimmt was? Ein familiäres Miteinander. Solidarität, die mehr ist als ein Wort.

Am Nachmittag fahren wir zum Polizeiposten, wo ich weitere Aussagen machen soll. Über Antonio, wie er war, was er tat, was er sagte. Auch alle seine nahen Freunde, Verwandten und Bekannten würden vernommen, sagen meine zwei Polizisten. Sinn und Zweck sei es zu ermitteln, was hinter der Tat stecke. Was er getan habe. Ob er zurechnungsfähig gewesen sei. Und natürlich: War Antonio wirklich der Täter gewesen und wie? Womit? Was hat es mit den leeren Campinggas-Flaschen auf sich, die man in den Trümmern gefunden hat?

(Fortsetzung folgt)

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Quelle: »Weiterleben | Biografische Essays«, Jana. D., noch unveröffentlicht.

Der erste Tag ohne Lars

Ständig klingelt das Telefon. JournalistInnen wollen mich interviewen. Meine Freundin C. wimmelt alle ab. Weitere Freundinnen und Freunde kommen spontan vorbei und trauern mit uns. Der Tag vergeht in einer Art Rausch. Trauerrausch. Ich weine so viel, dass mein Kopf schmerzt. Auch weil ich so müde bin. Mir ist schwindlig. Irgendjemand kocht etwas. Vermute ich. Niemand kann sich erklären, wie das alles passieren konnte. Was auch immer überhaupt passiert ist.

Irgendwann ruft der oberste Chef der Polizei an, bittet mich persönlich an den Apparat und spricht mir persönlich sein Beileid aus. Die Obduktion sei für morgen, Montagvormittag, angesetzt; ob ich am Nachmittag meinen Sohn identifizieren wolle; ob ich das persönlich machen wolle oder jemanden schicken. Ich sage, dass ich ihn auf jeden Fall sehen will. Sehen muss. Nein, A., Lars’ Vater, will ich nicht sehen. Niemand will das. Nicht mal die Eltern, wie ich höre. Er sehe schrecklich aus. Ich will mit ihm und seiner Familie nichts mehr zu tun haben. Nie mehr. Auch nichts mit A.s Beerdigung. Nichts. Nie mehr.

Ich bin Wut. Ich bin Tränen. Ich könnte alles kaputtschlagen, doch da ist so viel Liebe. Ich werde umarmt, gehalten, darf lachen, wenn ich an Lars’ schlaue Sätze denken muss, darf weinen, flennen, seufzen. Darf trauern, wie es gerade kommt. L. übergibt mir ihr Geburtstagsgeschenk für Lars, den allerherzigsten kleinen Bären, den ich je gesehen habe, und der noch heute oft in meinem Bett schlafen darf und mir das Herz wärmt.

C. geht zwischendurch kurz nach Hause, holt Wechselkleider, meldet sich bei ihrer Arbeitsstelle für die ganze Woche ab und kommt wieder. Im Gepäck saubere Kleider, neue Zigaretten und ein rezeptfreies Schlafmittel.

Irgendwann sind wir wieder allein, wir zwei. Ich bin so müde. Ich will einfach nur schlafen und vergessen. C. ist einfach da. Sie ist ein Netz, das mich trägt.

Ich bin ihr ewig dankbar, dass sie da war, als ich sie am allermeisten gebraucht habe.

(Fortsetzung folgt)

Quelle: »Weiterleben | Biografische Essays«, Jana. D., noch unveröffentlicht.

Ohne-Kind-Eltern oder Wenn Einzelkinder sterben

Ich kenne kaum andere Mütter, andere Eltern, die, wie ich, ihr einziges Kind verloren haben. Kein Tod lässt sich mit einem andere Tod vergleichen. Kein Verlust lässt sich mit dem Verlust, den andere erleben und erlebt haben, vergleichen. Leid lässt sich nicht vergleichen. Stirbt jedoch das einzige Kind, zerbricht mit seinem Tod auch die vorherige Familienstruktur. Der Tod eines Einzelkindes verwandelt Eltern zurück in Paare und Einelternfamilien in alleinstehende Menschen.

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Zusätzlich zum Verlust meines Sohnes, zur Trauer um mein einziges Kind, habe ich damals auch um den Verlust meines Familiengefüges getrauert. Meinen Sohn zu begleiten war vom Moment an, wo ich erkannt hatte, dass ich schwanger war bis zu seinem Tod beglückend und dazu eine sehr nährende Lebensperspektive für mich gewesen, zumal ich leidenschaftlich gerne Mutter bin war bin.

Im Laufe meines Trauerprozesses habe ich die eine oder andere Trauergruppe besucht und dabei, auch virtuell, andere trauernde Eltern kennenlernen dürfen. Zwei Gruppen musste ich wieder verlassen, weil ich nach einer gewissen Zeit erlebte, wie die anderen Teilnehmenden zunehmend um ganz andere Themen kreisten als ich. Während ich noch intensiv um meinen einzigen Sohn trauerte, sprachen andere bereits wieder über Stillprobleme, durchwachte Nächte und die Vor- und Nachteile von diesen oder jenen Kinderautositzen. Natürlich trauerten sie noch immer, doch ihre Trauer war an eine andere Stelle gerückt. Für mich war das, ohne Frage, oft sehr problematisch, sehr schmerzhaft. Wie gerne wäre doch auch ich nochmals Mutter geworden. Dass es nicht geklappt hat, hatte vielerlei Gründe.

Ich verabschiede mich darum seit Jahren immer wieder ein Stück mehr von meinem Familienwunsch. Ganz abgeschlossen ist dieser Prozess aber noch nicht.

Wie es wohl anderen Einzelkindeltern ergangen ist und ergeht? Gerne können mir andere Mütter oder Väter, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, schreiben.

[Bitte über Kontakt oder Info-Mailadresse dieser Webseite.]

Interview mit Jana D.

Wie hast du dich in den ersten Tagen/Wochen/Monaten nach dem Tod deines Sohnes gefühlt?

Nach dem erweiterten Suizid, den mein getrennt lebender Mann sich und unserem dreijährigen Sohn Lars angetan hatte, lebte ich eine ganze Weile wie hinter Glas. Und als wäre ich selbst aus Glas. Die ersten Tage bis zur Beerdigung war ich ständig umgeben von lieben Freundinnen und Freunden und zum Teil auch von den nächsten Verwandten. Zum einen war ich unbeschreiblich traurig, fühlte mich verlassen und einsam, doch andererseits fühlte ich mich sehr aufgehoben und geborgen. Dass sich das nicht ausschließen muss, war eine Erkenntnis, die ich danach noch oft an mir beobachten konnte.

Da ich sowohl körperlich als auch psychisch sehr angeschlagen war, Kreislaufprobleme und Panikattacken hatte, war ich von Anfang in ärztlicher Behandlung. Das Beruhigungsmittel, das ich verschrieben bekommen hatte, setzte ich allerdings nach ein paar Tagen wieder ab, weil es mir das Träumen verunmöglichte. Doch gerade zu träumen war damals extrem wichtig für mich. In den Träumen konnte ich Lars begegnen, mit ihm Erlebtes erneut erleben und von ihm Abschied nehmen. Träumen bedeutet für mich in erster Linie verdauen und verarbeiten. Erstaunlicherweise konnte ich damals ziemlich gut schlafen, obwohl ich sonst keine sehr gute Schläferin bin. Wenn ich allerdings am Morgen oder in der Nacht erwachte, war der Schock lange Zeit sofort wieder da. Zuerst fühlte ich mich normal, doch dann fiel mir – buchstäblich schlagartig – alles sofort wieder ein. Ich habe sehr viel geweint damals, allein oder mit anderen, doch ich empfand das Weinen fast immer als tröstlich, als notwendig, als hilfreich.

Was hat dir geholfen, mit dem Verlust umzugehen?

Reden und Weinen haben mir sehr gut getan, doch vor allem war es das Schreiben. Das Schreiben über meine Erlebnisse, Erfahrungen, über den Schmerz, die Trauer, den Verlust. Fühlen und Schreiben, Schreiben und Fühlen – diese zwei Begriffe wurden nach und nach untrennbar für mich.

Was bedeutet das Schreiben für dich, in Bezug zu deiner Trauer?

Schon als ich mit Lars schwanger war, habe ich ihm Briefe geschrieben; ebenso in den ersten zwei Jahren seines Lebens. Irgendwann habe ich statt der Briefe wieder mehr Tagebuch zu schreiben angefangen, nicht zuletzt, weil sich die Beziehung zu Lars‘ Vater stetig verschlechtert hatte. Seine psychische Erkrankung wurde für uns beide immer mehr zu einer Sackgasse. Vor allem, weil er nicht einsah, dass er Hilfe gebraucht hätte. Nach dem gemeinsamen Tod der beiden habe ich wieder angefangen, Lars Briefe zu schreiben. Keine Briefe mehr diesmal, die einem Kind die Welt, in welcher er groß wurde, beschrieben, eher Briefe, in dem ich über meine Trauer und meinen Alltag schrieb. Das Schreiben ist im Laufe der Zeit so wichtig wie Atmen für mich geworden und ich habe mich später auch nebenberuflich in Richtung Schreiben weiterentwickelt.

Welche Reaktionen hast du nach dem Tod deines Sohnes von deiner Umwelt erfahren? Was hättest du dir von den Menschen in deiner Umgebung gewünscht?

Da der erweiterter Suizid, der zum Tod meines Sohnes und meines damals schon getrennt lebenden Mannes geführt hatte, große Wellen in der Öffentlichkeit geschlagen hatte, habe ich von Seiten der Umwelt sehr viel Mitgefühl, ehrliches Mitgefühl erfahren. Sogar mir fremde Menschen haben irgendwie meine Adresse herausgefunden und mir Briefe und Karten geschrieben. Zum einen hat mich das sehr berührt und auch viel Trost gespendet, doch zum anderen fühlte ich mich auch sehr nackt und unter Beobachtung. Ob meine Veranlagung, nicht auffallen zu wollen oder dieser vermeintliche Beobachtungsdruck dazu geführt hatten, weiß ich nicht, doch ich setzte mich selbst sehr unter Druck, möglichst bald wieder einigermaßen funktionsfähig zu sein.

Inwieweit beeinflusst der Glaube/Nichtglaube deine Sicht auf den Tod?

Ich verstehe das Leben als etwas Übergeordnetes, Großes, mit dem Tod untrennbar Zusammenhängendes. Zwar glaube ich nicht an die Bibel und den christlichen Gott, doch in meinem Weltbild ist das Bewusstsein, dass Leben und Tod Teil eines zusammengehörenden Ganzen sind, verankert. Auch hege ich die Hoffnung, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist. Dass es entweder eine Art Himmel oder Paradies gibt, in der wir die vor uns Verstorbenen wieder sehen werden oder aber dass die Seelen in einer anderen Person wieder auf die Erde kommen. Dogmatisch bin ich diesbezüglich nicht, aber ich traue meinen Erfahrungen, die ich diesbezüglich gemacht habe. Die Erlebnisse nach Lars‘ Tod, einige berührende Begegnungen mit ihm, waren sehr eindrücklich. Und selbst wenn ich sie mir nur eingebildet haben sollte, ist es für mich so, dass aus dem Gedanken, dass das Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist, mehr Trost zu schöpfen ist als aus jenem, dass mit dem Tod alles aus ist. Zwar glaube ich nicht an eine Hölle, doch glaube ich, dass wir leben, um Erfahrungen zu sammeln und uns weiterzuentwickeln. Liebevoller zu werden.

Lars war einer der liebevollsten Menschen, den ich je kennenlernen durfte. Mir vorzustellen, dass er mehr geliebt hat als manche viel ältere Menschen, ist für mich sehr tröstlich. Er hat so viele Menschen mit seiner Liebe berührt, dass es vermutlich für ein Leben genug war. Solche Gedanken trösten mich noch heute, wenn ich ihn vermisse.

Wie hat sich deine Trauer mit der Zeit verändert?

Ich habe sie in meinen Alltag integriert und dieser ist, was er ist. Ich weiß nicht, wie ich geworden, mich weiterentwickelt hätte, wenn Lars noch leben würde. Anders auf jeden Fall. Irgendwie merke ich, dass ich mir ein Leben ohne die latente Trauer, die ich heute als ‚mein großes Vermissen‘ beschreiben würde, als Phantomschmerz vielleicht auch oder als Noch-immer-Leere, nicht vorstellen kann. Ja, ein Leben ohne den physisch anwesenden Lars kann ich mir inzwischen vorstellen. Weil ich es erlebe. Aber ein Leben ohne ihn gekannt zu haben und ohne ihn noch immer zu vermissen, nein, das geht noch nicht. Auch nach mehr als dreizehn Jahren nicht. Ob das gut oder schlecht ist? Diese Frage stelle ich mir nicht. Es ist, wie es ist.

Wie geht es dir heute damit? Welche Themen/Fragen/Ängste beschäftigen dich aktuell? Wie hat der Tod dein Leben verändert?

Ich lebe noch immer wie auf einem Grat, mal gibt es helle Phasen, mal leide ich am Leben. (Die Depression ist schon seit meiner Pubertät meine Begleiterin. Vielleicht kann ich irgendwann besser mit ihr leben.) Zwar habe ich, dank meiner Freundinnen und Freunde und dank meines neuen Lebenspartners, den ich nun schon seit über sieben Jahren als Wegbegleiter kennen und lieben darf, neue Wege gefunden, mich dem Leben zu öffnen. Doch es gab immer wieder sehr schwere Zeiten. Da ich keine andere Kinder habe, war mit dem Tod meines Sohnes von heute auf morgen alles anders. Ich habe keine Nachkommen und je älter ich werde, wird mir zum Beispiel bewusst, dass ich nie Großmutter sein werde. Ich habe keine Familie – etwas, das ich mir schon in jungen Jahren sehr gewünscht hatte. Diese Leerstelle ist noch immer eine Art Wunde, die je nach Tagesform mehr oder weniger weh tut. Angst macht mir auch meine Zukunft, weil ich aus gesundheitlichen Gründen ziemlich eingeschränkt in meiner Belastbarkeit bin. Dennoch habe ich in meinem Leben vieles, das mich froh macht: Liebe Menschen wie meinen Partner und die Beziehungen zu Freundinnen, Freunden und Verwandten, das Schreiben, das Sein in der Natur, Wanderungen …

Gibt es etwas, was du durch den Tod gelernt hast?

Der Tod lehrt mich, seit ich als Kind den ersten Goldhamster beerdigt habe, seine Botschaft. Die der Vorläufigkeit und Vergänglichkeit. Alles ist endlich. Alles ist abschiedlich. Alles ist provisorisch. Jeder Zustand wechselt irgendwann in einen nächsten. Der Tod – und ja, auch das Leben – lehrt mich loszulassen. Es klingt so einfach und tut doch immer wieder neu so weh. Ich weiß nicht, ob ich das Loslassen wirklich schon gelernt habe.